Lautete vor Jahrzehnten die Frage noch „Warum haben Sie das so gemacht, Herr Architekt?“, ist Architektur schon länger keine Rechtfertigungskunst mehr. Die Frage nach dem Warum wird zunehmend mit der saloppen Gegenfrage „Warum nicht?“ beantwortet. Heute wird alles, was möglich ist, auch gebaut. Ob das gut, richtig und überhaupt noch authentisch ist? Hermann Czech hat mit seinem Eröffnungsvortrag auf dem diesjährigen Wiener Architekturfestival „Turn On“ darüber nachgedacht. Uns sind dann auf zwei langen Vortragstagen ein paar Beispiele dazu aufgefallen: ein in den Hang gebautes Sportzentrum von Dietrich Untertrifaller in Zürich, ein Bankgebäude in Dornbirn von den Architekten Bechter Zaffignani und die Festung Franzensfeste in Südtirol, die Markus Scherer als Museum zugänglich gemacht hat.
„Zur Zeit meiner Ausbildung war Architektur eine Rechtfertigungskunst. Warum haben Sie das so gemacht, Herr Architekt; was haben Sie sich dabei gedacht?“ Hermann Czech macht eine bedächtige Pause, bevor er weiterspricht. „Damit war nicht so sehr die Begründung durch Zwecke gemeint. Ich habe überhaupt unter Entwurf eine Reihe von aufeinander aufbauenden Entschei-dungen verstanden, die zu einem schlüssigen Entwurfsergebnis führen mussten – ein Aspekt dieses Ergebnisses war die Form, die also nicht vorher bekannt sein konnte. Heute aber lautet die Antwort auf das „Warum?“ zunehmend: „Warum nicht?“ Größeren Respekt genießt die architektonische Leistung deswegen freilich nicht. Im Gegenteil: Architektur wird als Dienstleistung angesehen, ein Wort, das selbst die Theorie des Funktionalismus erstaunlicherweise nie verwendet hat.“ Mit diesen starken Worten beginnt Hermann Czech nicht nur seinen Vortrag, sondern auch das zweitägige Wiener Architekturfestival. Seit den Siebzigern gilt er als Protagonist einer neuen „stillen“ Architektur, die „nur spricht, wenn sie gefragt wird“. Er fordert eine Architektur, „die repräsentiert, aber nicht betrügt, die bewegt, aber nicht süchtig macht“ und macht auf die Gefahren des Stararchitektenkults aufmerksam: einer Architektur, die nur noch auf wenige Bilder reduziert wird, und deren Idee nicht mehr lesbar ist. Zurückhaltung ist für Czech ein Schlüsselbegriff: Er spricht von einer behutsamen Architektur mit leisen, fast unsichtbaren Gesten, die in erster Linie Nutzer und Umgebung bedienen – nicht das Ego des Architekten. Warum? – Warum nicht? Viele Architekten ent-ziehen sich heute eine Begründung: Es wird etwas gebaut, weil es gebaut werden kann, und nicht, weil es unbedingt einen tieferen Sinn ergibt. Fast am Ende des Symposiums wird Wolf D. Prix über Projekte in China sprechen, wo er mit seinem Büro Coop Himmelb(l)au gerade hauptsächlich tätig ist. Es sind Bauprojekte von enormer Größe, die mit europäischen Maßstäben nicht mehr zu beurteilen sind. (…)