Der Barcelona-Pavillon: Ausstellungsraum zwischen Wohn- & Konstruktionsmodell

Der Barcelona-Pavillon – die gefeierte Architektur des 20. Jahrhunderts, das Schlüsselprojekt der Moderne – weckte zu seiner Entstehungszeit nur geringes Interesse. Knapp sieben Monate stand er während der Weltausstellung 1929 in Barcelona – und wurde übersehen. Nur wenige verirrten sich in den modernen Glaskasten, die meisten nahmen ihn gar nicht erst wahr. Direkt nach dem Ende der Ausstellung wurde er abgebaut und seine wertvollen Baumaterialien nach Deutschland zurückgebracht. Lediglich die Fotos des Pavillons, die Mies sorgfältig ausgewählt hatte, überdauerten die Zeit. Sie machten ihn in den fünfziger Jahren – in der Folge der großen Mies-Ausstellung im MoMA 1947 – populär. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte entwickelte sich eine so große Sehnsucht, dass man den Pavillon 1986, in dem Jahr, in dem Ludwig Mies van der Rohe seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, in Barcelona rekonstruieren ließ. Die Architekturtheoretikerin Beatriz Colomina beschreibt die Schwierigkeit dieser Rekonstruktion (durch die Architekten Ignasi de Solà-Morales, Christian Circi und Fernando Ramos) vor dem Hintergrund, dass die Pläne des Gebäudes oft gar nicht mit den Fotos, die man von ihm hatte, übereinstimmen. Zudem war Mies – Barry Bergdoll zufolge – zur Bauzeit des Barcelona-Pavillons mit der Technik des Stahlbaus noch kaum vertraut, sondern eignete sich dieses Wissen erst in den USA mit Besuchen bei der Stahlindustrie an. Zu den Interpretationen im Diskurs um den Barcelona-Pavillon – als Raum, der lediglich Architektur ausstellt oder als Modellarchitektur für ein Wohnhaus (Colomina) – gesellt sich nun also auch die Frage, ob es sich hier nicht auch um ein Modell für die Konstruktionstechnik des Stahlbaus handelt. Enttäuschend: In seinem städtischen Kontext geht der Pavillon unter. Darf oder sollte man, wenn man ein so bedeutendes Gebäude rekonstruiert, sich dann nicht einen geeigneteren Standort suchen? (jtkn)

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