The Botanical Room

Echeveria pulvinata. Foto: Hanni Schermaul

Der Dschungel wächst bei Instagram und Pinterest. Das große Comeback der Zimmerpflanze (#monstera, #maranta und #pilea) beginnt online, und plötzlich ist es wieder cool, grüne Geschöpfe als Mitbewohner zu haben. Sie zahlen zwar keine Miete, brauchen dafür aber nicht mehr als lauwarmes Wasser, Licht und etwas Liebe. Über die wachsende Erfolgsgeschichte von The Botanical Room.

„Fast jeder hat doch ein schwarzes und ein weißes T-Shirt im Schrank. Bei Pflanzen ist es genau die gleiche Nummer“, sagt Hanni Schermaul und lacht. Das weiße T-Shirt im Botanical Room ist die Monstera deliciosa. Oder Pilea peperomioides, auch Ufopflanze genannt. Solche Zimmerpflanzen mag jeder, es sind wahre Bestseller. Persönlich mag Schermaul lieber Pflanzen, „die komisch aussehen“: die Freaks, zum Beispiel Euphorbia platyclada. „Diese Pflanze ist für mich besonders, weil sie ein irres Muster hat und so aussieht, als wäre sie schon tot. Sie heißt auch Dead Stick Plant.“ Um eine Vorstellung von der lebenden Toten zu bekommen, zeigt sie auf ihrem Smartphone ein Foto: erst ein Close-up, dann die Pflanze als Ganzes. Es sind schöne Bilder, die irgendwie an die Set Cards von Supermodels erinnern.

Sie bezeichnet sich selbst als „Architektin im Ruhestand“, seit 2015 widmet sich Hanni Schermaul den „schönen Dingen des Lebens“, zum Beispiel: einfach mal den Pflanzenhandel revolutionieren. Das hat sie längst geschafft. The Botanical Room heißt ihr Online-Shop, den es seit Frühling 2018 auch als echte Adresse in Berlin-Kreuzberg gibt. „Meine Idee war, Pflanzen anders als üblich darzustellen“, erklärt die junge Unternehmerin. „Ich bin ja nicht die Erste, die online Zimmerpflanzen verkauft, da gibt es viele. Nur unterscheidet sich die Produktfotografie. Mir ist es wichtig, meine Pflanzen so zu inszenieren, dass sie selbst zum Designobjekt, zu Hauptdarstellern werden.“

Das Geschäftskonzept erklärt sich schnell: Im Botanical Room verkauft Hanni Schermaul ausschließlich Zimmerpflanzen und Accessoires von verschiedenen Designern, die sie stets aufs Neue kuratiert. Kräuter, Schnittblumen oder Balkonpflanzen gibt es bei ihr nicht. Aus einer ursprünglichen Schnapsidee entwickelte sich ein florierendes Geschäft. „Ich kündige einfach und mache einen Kaktusladen auf“, erinnert sich Hanni Schermaul. „Das habe ich mal so aus Witz gesagt, als ich noch im Architekturbüro gearbeitet habe.“ Ganz so einfach war es natürlich nicht. Eines Tages kündigt die Architektin tatsächlich ihren Job, geht für ein Jahr nach Griechenland und versucht, sich zu entspannen. „Ich war damals einfach zu beschäftigt und zu gestresst, um neue Ideen zu produzieren. Ich musste erst einmal lernen, keine Aufgabe mehr zu haben, mich treiben zu lassen.“ Nach drei Monaten fällt ihr der Kaktusladen wieder ein. Sie schreibt erst das Konzept, dann den Businessplan und fliegt zurück nach Berlin. Ende 2016 steht alles, ihr Baby hat endlich einen passenden Namen gefunden und www.thebotanicalroom.com geht online.

Ein gutes Jahr später explodiert das Geschäft. Alle wollen Zimmerpflanzen, entweder als Geschenk oder für das eigene Zuhause. Auch Shops und Büros engagieren The Botanical Room für die Begrünung ihrer Räume. „Ich kam früher in puncto Interior und Einrichtung bei Pflanzen schnell an eine Grenze“, erklärt Hanni Schermaul ihren schnellen Erfolg. „Die meisten Pflanzen, die verkauft wurden, hatte ich schon hunderte Male gesehen. Wenn ich dann eine schöne Pflanze fand, ging der Übertopf dazu meist gar nicht. Die angebotenen Pflanzenaccessoires waren nicht zeitgemäß und passten auch nicht in meine eher modern und minimalistisch eingerichtete Wohnung. Ich denke, dass ich da mit meinem Konzept bei vielen auf offene Ohren gestoßen bin.“ Bei Instagram folgen @thebotanicalroom aktuell 22.100 Abonnenten aus der ganzen Welt, der Online-Shop wächst. Verschickt wird von Montag bis Mittwoch, damit keine Pflanze zu lange bei DHL hängen bleibt. Zwei bis drei Tage gehen die botanischen Skulpturen auf Reisen, bis sie bei den Kunden in ihrem neuen Zuhause ankommen.

Liegt eine Pflanze in ihrem Geschäft mal wirklich im Sterben, nimmt Hanni Schermaul diese mit nach Hause und päppelt sie wieder auf. Solche Exemplare gibt sie dann meistens im Freundeskreis weiter. Doch zurück zur Dead Stick Plant und den weißen Shirts. „Die Pflanzen, die ich am liebsten mag, verkaufen sich nämlich leider am schlechtesten“, erzählt Hanni Schermaul. Woran das liegt? Die Menschen mögen klassische Schönheiten, das, was sie kennen und die Monstera bleibe eben die sichere Nummer. „Jeden Tag werden bestimmt 50.000 Fotos mit dem Hashtag Monstera bei Instagram hochgeladen. Die Monstera ist auch eine coole Pflanze. Abertausend Bilder später bin ich persönlich einfach visuell übersättigt.“ Deshalb preist sie ihre Freaks immer wieder mit blühender Begeisterung an: im Laden, online und auch auf diesen Seiten. Die Makroaufnahmen zeigen die botanischen Sonderlinge mit neuem Fokus und anderer Ästhetik: eine Bereicherung für jeden Indoor-Dschungel. Und wer sich jetzt mal kurz an seine besten Mitbewohner erinnert: Waren die nicht auch immer Freaks?

www.thebotanicalroom.com

Artikel erschienen in DEAR Magazin, Herbst 2018

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