Es ist ein wenig irritierend. Wo ist die Bühne? Was soll diese Wand? Der Saal der Volksbühne ist zum klaustrophoben, geschlossenen Gefängnis umgebaut. René Pollesch stellt mit seiner Inszenierung „Schmeiß dein Ego weg!“ das Theater auf den Kopf. Er hat die „Vierte Wand“, die Wand, die es nur in der Vorstellung der Schauspieler gibt, damit die Darsteller so tun, als gäbe es kein Publikum, wirklich gebaut. Schließlich sei es eine altmodische Ansicht, dass man die Schauspieler im Theater auch sehen müsse.
Doktor Jaques Duval ist in der Zukunft gelandet. Er war zweihundert Jahre lang schock gefroren und wird nun mit einer Realität konfrontiert, die für ihn ungewohnter nicht sein könnte. Da ist diese Wand zwischen Zuschauerraum und Bühne. An der läuft Duval in seiner Uniform aus dem 19. Jahrhundert dann auch den ganzen Abend auf und ab. An zwei Stellen ist diese Wand durchgebrochen und der Zuschauer erhält neben der Projektion über der Bühne, einen Einblick auf das Geschehen – er wird zum Voyeur. Erinnert ein wenig an „Versteckte Kamera“.
Inhaltlich dreht sich das Stück wie auch das Bühnenbild um innen und außen. Um innere und äußere Werte. Das Verborgene und das Sichtbare. Um Körper und Seele. Bei einem Geldschein sehe man auch zuerst seinen inneren Wert, die Zahl, und dann erst den äußeren, das Papier. Innen ist also gleich außen. „Die Seele ist eine Außenbeziehung des Körpers mit sich selbst.“ Um das Ego fassen zu können, müsse man nicht in der Innerlichkeit, in den Tiefen der Psyche und in den romantisierenden Erzählungen von ihr wühlen. Diese Auffassung von Individualität sollte getrost weggeschmissen werden.
Martin Wuttke (Doktor Jaques Duval) zappelt als verzweifelter Zwerg über die Bühne, Margit Carstensen (Frau Luna) spielt sich selbst und Christine Groß (Miss Peterson) glänzt mit einem amateurhaften Spiel und einer, hoffentlich beabsichtigten, dilettantischen Aussprache – sie hat einen S-Fehler. Der Chor, eine Gruppe junger Schauspieler in engen, weißen Ganzkörperanzügen ist mal Ausstattung, mal Show und am Ende auch Chor. Wie immer wird auch hier zwischen all den philosophischen Zitaten viel „Scheiße“ geschrieen.
Pollesch verdreht die Spielregeln des guten, alten und schönen Theaters. Eine Parodie, die zu neuen Denkmustern anregen soll mit einem der eindringlichsten Liebesgeständnisse: „Warum konnten wir uns nichts mehr sagen. Ja, ich weiß, du hast es versucht. Du hast mich mit deinem Motorroller verfolgt und wolltest mich sprechen und ich hab gewendet und woanders eingeparkt in das Nichts, in den Tod, keine Ahnung.“ Großartig! (Jeanette Kunsmann)
Schmeiß dein Ego weg!
von René Pollesch
Bühne und Kostüme: Bert Neumann
Termine: 30. Januar, 3., 6. und 20. Februar 2011 in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte