Alle guten Dinge sind drei

Andre sitzt neben mir auf dem Sofa und rutscht unruhig hin nun her. Wie es mir denn so gehen würde. Alles klar. Gequälter Smalltalk zu schlechter Musik und noch schlechterem Wein. Genau das richtige für einen Montagabend.

Wochenlang habe ich ihn ignoriert, aber nach gefühlten 50 SMS, „wann ich ihn denn endlich mal in seiner neuen Wohnung besuchen würde“, dachte ich: Ok, schau ich da doch mal endlich vorbei, ist ja auch um die Ecke. Die Neugier siegt schließlich immer. Und nun sitze ich neben meiner März-Affäre auf dem neuen grauen Sofa, das übrigens nicht nur ihm, sondern auch seiner neuen Freundin Marisol gehört. Es ist halb neun und draußen wird es langsam Sommer.

„Und, wie sind deine neuen Nachbarn so?“ frage ich ihn schnippisch. „Ja, ja geht schon. Ein bisschen spießig“, Andre starrt mich die ganze Zeit an, während wir reden. „Ach, so wie du?“ kontere ich und muss anfangen zu lachen. Andre ist empört, versucht aber gar nicht, sich zu rechtfertigen. Warum auch? Er und dieser Wohnung passen wie gesucht und gefunden zusammen. Ich lache noch etwas lauter und halte ihm mein leeres Glas hin. „Bitte noch etwas von dem schlechten Wein.“ Der Abend könnte vielleicht noch ganz lustig werden, denke ich.

Da klingelt sein Handy. „Sag mal, wär das jetzt okay für dich, wenn Marisol gleich kommt?“ Aha. „ Ja, klar. Nee, ist doch nett, dann lern ich die mal kennen. Und außerdem wohnt sie hier ja auch.“ Andre freut sich und schreibt ihr schnell zurück. Ich gehe kurz auf die Toilette. Fünf Minuten später steht Marisol in der Tür. Eine wahnsinnige Schönheit mit langen schwarzen Haaren und noch längeren Beinen. Ihre Augen sind dunkel wie die Nacht in Asien – und ihr Rock hat die Maße meines Gürtels.

„Hey! Wie schön, jetzt lernen wir uns endlich mal kennen“, haucht sie mir entgegen. Eine rauchige Stimme hat sie also auch noch. Wahnsinnsfrau! Wahnsinnsdachgeschosswohnung. Warum bin ich eigentlich hier, frage ich mich. Denn nun sitze ich zwischen Marisol und Andre auf ihrem neuen Sofa und beide lächeln mich völlig debil an. Ich grinse zurück, einmal nach links zu Andre und etwas länger nach rechts zu ihr. Sollen sie sich ruhig freuen. Überall brennen Kerzen und aus den Bang & Olufsen Boxen ertönt leise das Wimmern von Radiohead.

Wir reden also ein bisschen, trinken den schlechten Wein, der mit der Zeit etwas besser schmeckt, und lachen weiterhin völlig debil. Beide sind wahnsinnig nett – nur überhaupt nicht lustig. Irgendwann wird es mir zu blöd. Ich überlege kurz noch, doch dann denke ich, dass eigentlich im Moment eh alles egal ist. „Und wie ist das jetzt?“ frage ich – nach links und nach rechts. Da weder von links noch von rechts eine Antwort kommt, schieße ich hinterher: „Also Andre, ist das jetzt hier die Einladung zu einem Dreier, der wie hast du dir das vorgestellt?“ Stille. „Häh? Nee, das verstehst du jetzt falsch.“ Andre wird rot und Marisol lacht – etwas gequält klingt dieses Lachen. „Aber entspann dich doch einfach ein bisschen.“ Andre geht in die Küche und kommt mit einer neuen Flasche Wein zurück.

„Nee, du“, säuselt er nun, „ so war das wirklich nicht gemeint. Aber die Atmosphäre ist doch eigentlich gerade ganz passend, oder?“ Ich gucke ihn an, dann Marisol, dann wieder ihn. Ich fasse es nicht. Es war so offensichtlich, wie ich zwischen den beiden sitze, es ist so offensichtlich, wie beide mich nun anstarren, denke ich. Dann wieder das debile Grinsen von Marisol. Oh Mann, wie einfach ihr euch das denkt, frage ich mich. Wie albern das ist!

„Na ja, also ihr wisst schon, dass das so nicht funktioniert, oder? Ich meine, dafür braucht man keine Duftkerzen, Wein und diese pseudoromantische Softpornoatmosphäre. Dafür braucht man den richtigen Moment, und den kann man nicht herbei zaubern, der passiert einfach so!“

„Aber nein, entspann dich doch einfach, wir können ja auch noch ein bisschen reden.“ Andre plappert munter, als wäre nichts. „Hey, ich bin total entspannt“, entgegne ich, „wirklich!“ „Jaaa?“ ertönt es im Chor aus beiden Richtungen und beide werfen mir ihr schönstes Lächeln entgegen. „Ja. Aber ganz ehrlich – so wie ihr das ihr euch für heute Abend vorgestellt habt, funktioniert es nun mal nicht.“ Und um das Ganz noch zu toppen, füge ich hinzu: „Wirklich, glaubt mir, ich hatte das erst letzte Woche. Es war wunderbar, hat sich aber einfach so ergeben und war deswegen so großartig, weil keiner vorher drüber nachgedacht hat!“ Stille. Ein Seufzen von rechts. Und von links Protest: „Nee, wirklich, das glaube ich dir jetzt nicht. Das sagst du doch nur so, oder? Andre ist nun völlig verwirrt und aus seiner Abendplanung gerissen. Er hat komplett die Kontrolle verloren und: sich nicht nur vor mir, sondern auch vor Marisol, völlig bloßgestellt. Die schaue mich in diesem Moment ganz verbunden an.

„Na gut, also, war nett mit euch. Und wirklich, ihr seid ganz tolle Menschen, aber ich geh dann mal“, sage ich ganz locker in Runde und stehe auf. Wie schön sich das anfühlt, gleich zwei gut aussehenden Menschen einen Korb zu geben! Entsetzte traurige Augenpaare streifen mein Gesicht. Wie er sich das wohl vorgestellt hat? Wie dumm man sein kann, frage ich mich und schüttle den Kopf. Ich werfe beiden eine Kusshand zu und geh zur Wohnungstür. „Adieu ihr zwei. Und einen schönen Abend noch!“ Ich werfe die Tür zu und nehme laut lachend zwei Stufen auf einmal. Was für eine absurde Situation! Wie die beiden sich jetzt fühlen müssen!

Als ich zu Hause bin und auf mein Handy gucke, steht da: „Komm schnell zurück und entspann dich mit uns!“

(jtkn/ erschienen auf jetzt.sueddeutsche.de)

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